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DRAMAqueen USERaward 2020: Die 5 besten schwul-lesbisch-trans*genialen Filme des Jahres

DRAMAqueen USERaward 2020: Die 5 besten schwul-lesbisch-trans*genialen Filme des Jahres

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Hier sind die Plätze 5 bis 1 der beliebtesten Filme mit schwul-lesbischer Thematik 2020.

Johannes Jarchow | 31.01.2021

Platz 5: The Boys In The Band (7.8/10)

Ich weiß, es ist ein bisschen asozial, einen so gut bewerteten Film zu dissen, aber nichts zu sagen kommt mir auch falsch vor. Also das Negative vorweg, danach wird gelobhudelt. Ich habe mich gefragt, warum die meisten Schauspieler so angestrengt schwule Klischees dargestellt haben. Das ging beim Original von 1970 und bei der Bühnenfassung vielleicht in Ordnung, aber 2020 wünsche ich mir doch mehr Diversität. Es gab nur zwei schwule Nebenrollen, die nicht ständig exaltiert herumgewedelt sind. Grundsätzlich ist überhaupt gar nichts gegen Overacting und fiese, unsympathische Tunten einzuwenden, aber hier war es einfach zu viel. Wahrscheinlich hat Regisseur Joe Mantello zu wenig oder gar nicht ans Medium Film adaptiert, die Produktion bleibt theatral.

Dabei ist THE BOYS IN THE BAND und seine Geschichte ein Meilenstein queerer Popkultur. 1968 wurde das Stück am Broadway uraufgeführt und für die offensive Darstellung schwulen Lebens gefeiert. Fünf der neun Hauptdarsteller waren schwul. 1970 erschien die erste Filmadaption vom offen heterosexuellen Regisseur William Friedkin mit der gesamten Broadway-Besetzung. Noch im gleichen Jahr kam das Gaydrama als DIE HARTEN UND DIE ZARTEN* mit einer Altersfreigabe ab 18 Jahren in die westdeutschen Kinos. Es ist der erste US-Mainstream-Film, bei dem ausschließlich schwule Figuren auftreten. Nach mehreren Off-Broadway-Inszenierungen folgte 2018 unter der Regie von Joe Mantello ein Broadway-Revival, das mit dem Tony Award ausgezeichnet wurde. Alle Schauspieler sind offen schwul und übernahmen ihre Rollen auch im Netflix-Original. Der Regisseur und die Co-Produzenten, unter anderem die LGBT-Serien-Ikone Ryan Murphy (AMERICAN HORROR STORY (2011-)), sind ebenfalls durch die Bank weg homosexuell. Das ist natürlich bahnbrechend und völlig zurecht so hoch platziert.

The Boys in the Band | Film 2020 -- Stream, ganzer Film, Queer Cinema, schwul

Platz 4: Circus Of Books (8.7)

Die Bilanz der Netflix-Originals im ersten DRAMAqueen-Jahr kann sich sehen lassen. Platz 34, Platz 5, Platz 4. Und für CIRCUS OF BOOKS gibt es obendrauf noch die DRAMAqueen für die beste LGBT-Dokumentation 2020. Die Durchschnittsbewertung von 8.7 ist auch die höchste Bewertung, die eine Dokumentation jemals von euch bekommen hat. CHAVELA hatte zwar 2017 die gleiche Punktwertung, musste aber wegen der zu geringen Stimmenanzahl im Folgejahr noch einmal antreten und fiel infolgedessen von 8.7 auf 7.9.

Zurück zur Netflix-Doku. Es geht um den 1976 gegründeten DVD- und Buchladen CIRCUS OF BOOKS, der mit der Zeit zum größten Vertreiber und Produzenten von Gaypornos in den USA und zu einem Treffpunkt der LGBTQ-Szene in Los Angeles avancierte. Allerdings wussten die meisten Kunden nicht, dass die Eigentümer Karen und Barry Mason ein ganz normales Hetero-Paar waren, deren drei Kinder eine kirchliche Schule besuchten und das Geschäft ihrer Eltern gar nicht kannten. Mit Unterstützung des ausführenden Produzenten Ryan Murphy befragte die Künstlerin Rachel Mason ihre Eltern, Kunden und Verkäufer über die Eröffnung, den kommerziellen Aufstieg und die Schließung dieser Institution infolge des Zusammenbruchs des DVD-Pornomarktes und dokumentierte dabei den Wandel und die Emanzipation der queeren Kultur. Und auch den Wandel von Karen Mason, die auf das Outing ihres Sohnes zunächst negativ reagierte und heute LGBT-Aktivistin ist. Rachel Mason verweigert Gayploitation konsequent, die Pornothematik wird eher amüsant angegangen, etwa als sich Karen auf die Suche nach einem "non-penetrative white gay porno" macht. Sie verfolgt andere, wichtigere, berührendere Motive und bekommt dafür die erste Netflix-DRAMAqueen. Gin!

Circus of Books | Film 2019 -- Stream, ganzer Film, Queer Cinema, schwul

Platz 3: Als wir tanzten (8.7)

Schlag auf Schlag geht es gleich mit der nächsten DRAMAqueen weiter. Und zwar mit der Redaktions-DRAMAqueen für den besten Queerfilm 2020. Nach TOM AT THE FARM (2014), CUT SNAKE (2015), SCHAU MICH NICHT SO AN (2016), EINE FANTASTISCHE FRAU (2017), THELMA (2018) und SAUVAGE im letzten Jahr ist ALS WIR TANZTEN nun bereits der siebente Film, dem diese Ehre zuteil wird. Und das hat vor allem drei Gründe.

Er entstand in Georgien, einem Land, in dem Homosexualität zwar seit 2000 nicht mehr illegal ist, in dem aber eine ausgeprägte staatliche und gesellschaftliche Diskriminierung herrscht. Insbesondere von der einflussreichen Orthodoxen Kirche und ultrarechten Gruppierungen gehen ein homophober Aktivismus aus, wobei die georgisch-orthodoxe Kirche im Gegensatz zur russisch-orthodoxen Kirche Gewalt gegen queere Menschen ablehnt. Regisseur und Drehbuchautor Levan Akin musste eine andere Geschichte vorgeben, um an den verschiedenen Orten in der Hauptstadt Tiflis überhaupt drehen zu können. Und weil Akin um die Sicherheit seines Tanzchoreografen besorgt war, blieb dieser anonym und wird im Abspann nicht genannt. Unter großem Polizeiaufgebot fanden in Tiflis und Batumi zwei Kinoaufführungen statt. ALS WIR TANZTEN ist ein wichtiger Film, ein Meilenstein des Queer Cinema und hoffentlich ein Meilenstein für Georgien.

Der zweite Grund für die DRAMAqueen ist, danke an Salzgeber, die fantastische Synchronisierung, die ihren Beitrag geleistet hat, dass das schwule Tanzdrama auch kommerziell ein großer Erfolg war und ist. Mit 42.248 Kinozuschauern ist ALS WIR TANZTEN für Salzgeber der größte Kinohit der letzten fünf Jahre und Platz 1 der Queer Cinema Kinocharts 2020.

Und last but not least ist der Film fabelhaft, authentisch, originell, berührend. Die beiden Protagonisten, gespielt von Levan Gelbakhiani und Bachi Valishvili, haben eine tolle Chemie, die Anziehung, ihre Sehnsucht nacheinander ist spürbar. Genau wie das Lebensgefühl einer jungen Generation, die zwischen Freiheitsdrang, Fernweh und den Regeln (des Tanzes) wie zwischen den Stühlen stehen. Ein Meisterwerk. Jetzt auch mit DRAMAqueen. Gin!

Als wir tanzten | Film 2019 -- Stream, ganzer Film, Queer Cinema, schwul

Platz 2: Kokon (8.8)

Ich glaube, KOKON erzählt eine wichtige Geschichte. Es ist eine Geschichte davon, wie befreiend es ist, medial erschaffene Körperbilder abzustreifen, um sich das erste Mal wirklich zu spüren. Und eine Geschichte von zwei wilden Berliner Mädchen, die sich ihren Weg durch den „Kreuzberger Dschungel“ schlagen und den Park zum Wald, das Freibad zum Meer und den Sandkasten zum Strand machen. [Leonie Krippendorff]

KOKON ist der zweite Langfilm der 1985 in West-Berlin geborenen und lebenden Regisseurin und Drehbuchautorin Leonie Krippendorff. Sie studierte Regie an der Filmuniversität Babelsberg Konrad Wolf. Nach vier Kurzfilmen, darunter zwei Dokumentationen, feierte ihr Diplom- und Debüt-Spielfilm LOOPING 2016 seine Premiere beim 37. Max Ophüls Festival in Saarbrücken. Erzählt wird die Geschichte der 19jährigen Leila (Jella Haase), die in der Psychiatrie auf zwei Frauen trifft, mit der sie schon bald mehr als Freundschaft verbindet. Bei der QUEERmdb-Userbefragung zum besten LGBT-Film 2016 landete LOOPING mit einer Durchschnittsbewertung von 6.9 auf Platz 23.

Vier Jahre später macht nun KOKON einen Riesensatz nach oben und erklimmt mit einem fabelhaften Punktedurchschnitt Platz 2 der Queerfilme 2020 und Platz 5 im DRAMAqueen-Alltime-Ranking. Für die DRAMAqueen als auch für den Teddy Award hat es aber nicht gereicht. Die Konkurrenz war 2020 stark wie lange nicht. Jella Haase hat es aber als erste Schauspielerin geschafft, mit zwei Filmen in der DRAMAqueen-Top-10 vertreten zu sein. Es ist auch ihre zweite Zusammenarbeit mit Leonie Krippendorff. Sie spielt die bisexuelle Teenagerin Romy, in die sich die schüchterne 14jährige Protagonistin Nora verliebt. KOKON ist ein flirrender, stimmiger Coming-Of-Age- und Berlin-Film mit wunderbaren Darstellern und tollem Setting. Vormerken: Am 15. Februar erscheint die DVD.

Kokon | Film 2020

Platz 1: Porträt einer jungen Frau in Flammen (9.1)

Freunde der gehobenen, queeren Unterhaltung, es ist soweit! Das Warten und Bangen hat ein Ende. Ihr habt es entschieden und zum siebenten Mal einen fabulösen Geschmack bewiesen. Der DRAMAqueen USERaward 2020 geht ganz verdient an das fantastische PORTRÄT EINER JUNGEN FRAU IN FLAMMEN. Es ist erst der zweite Film, der es je geschafft hat, von euch eine Bewertung von über neun Punkten zu bekommen - nach THE FAVOURITE im letzten Jahr. Und dass damit zwei Produktionen mit lesbischer Thematik an der Spitze des DRAMAqueen-Alltime-Rankings stehen, macht uns ganz besonders stolz. Zusammen mit KOKON sind drei Lesbenfilme in den Top Five. Die über 100.000 Kinobesucher machten PORTRÄT EINER JUNGEN FRAU IN FLAMMEN auch zu einem kommerziellen Erfolg. Mit nur 88 Kopien Ende Oktober 2019 gestartet, landete der deutsche Verleiher Alamode nach Zuschauern nur auf Platz 20, aber im Zuschauerschnitt pro Kino auf Platz 7.

Das historische Liebesdrama ist der vierte Spielfilm der lesbischen Autorinfilmerin und Kritikerliebling Céline Sciamma (TOMBOY (2011), MÄDCHENBANDE (2014)). Auch ihre Hauptdarstellerin Adèle Haenel ist lesbisch. Sie outete sich 2014 während einer Rede bei den Zeremonien des César Awards. Haenel, die bereits in WATER LILIES (2007)* für Sciamma vor der Kamera stand, spielt die junge Adelige Héloïse, die verheiratet werden soll. Um den künftigen Ehemann zu überzeugen, wird die Malerin Marianne damit beauftragt, ihre Schönheit in einem Porträt einzufangen. Héloïse weigert sich, Modell zu sitzen und weiß auch gar nichts von den Absichten Mariannes. Beide Frauen verbringen viel Zeit miteinander, in der Marianne Héloïse genau beobachtet, um sie später aus dem Gedächtnis zu zeichnen. Es ist wunderschön mit anzusehen, wie die stets um Contenance und Distanz bemühte Adelige nach und nach ihre Abwehrhaltung ablegt und zulässt, von Marianne berührt zu werden. Céline Sciamma gibt einen intimen Einblick in eine Welt, die für eine kurze Zeit, völlig frei von männlichen Einflüssen ist. Als Zuschauer wünscht man sich, diese Zeit möge nicht enden. Mehr kann ein Film kaum erreichen. Ein Höhepunkt des queeren Kinos 2020. Und ein ganz besonderer DRAMAqueen-Preisträger. Gin!

Porträt einer jungen Frau in Flammen | Film 2019 -- Stream, ganzer Film, Queer Cinema, lesbisch

Nach der DRAMAqueen 2020 ist vor der DRAMAqueen 2021. Ab sofort könnt ihr hier Filme nominieren und bereits nominierte Filme bewerten.
 
 
Plätze 40 - 36 | 35 - 31 | 30 - 26 | 25 - 21 | 20 - 16 | 15 - 11 | 10 - 6 | 5 - 1
 

 
© Netflix/ Edition Salzgeber/ Alamode Film
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