Der Kinomarkt als harte Schule: Pro-Fun Media und Cinemien
Ein Markenwechsel, der Verwirrung stiftet, eine ehrgeizige Vision und eine pragmatische Kehrtwende - der Weg des deutschen LGBT-Filmverleihs Pro-Fun Media ist eine spannende Geschichte über die Herausforderungen des Kinomarkts und die Suche nach dem richtigen Platz in der Branche.
Johannes Jarchow | 5. Oktober 2025
Nachdem der einst etablierte, queere Filmverleih Pro-Fun Media (PFM) 2018 Insolvenz angemeldet hatte, wurde er kurz darauf vom europäischen LGBT-Medienunternehmen OUTtv übernommen. Unter dem Dach der übergeordneten FOMO-Media-Holding sollte die Krise überwunden werden. Die Vision war, PFM unter der international bekannteren Marke Cinemien neu aufzustellen und den Fokus auf anspruchsvolles Arthouse-Kino zu legen.
Filme wie das israelische Drama TWO (2021), das Biopic CHARLATAN (2020) oder zuletzt die Cineplex Pride Night sollten die queere Filmkultur aus der Nische auf die große Leinwand holen. Der Markenwechsel war dabei notwendig, weil PFM nicht über das Renommee verfügte, das zur angestrebten Strategie passte. Cinemien sollte dazu beitragen, das bislang eher auf kommerziell ausgerichtete, leichte Unterhaltung spezialisierte Profil von PFM zu überwinden und das Vertrauen von Kinobetreiber:innen, Publikum und Filmemacher:innen neu zu gewinnen.
Bei einer nicht-repräsentativen Umfrage in unserer internationalen Facebook-Gruppe Gay Movies, Series and Books gaben 12,5 % der Teilnehmenden an, Pro-Fun Media (PFM) zu kennen. Cinemien lag mit 16,0 % kaum besser. Der Unterschied ist statistisch nicht signifikant - beide Verleihe sind also ähnlich unbekannt. Und das bei queeren, streaming-affinen Facebook-User:innen. Zum Vergleich: Der älteste LGBT-Verleih der Welt, Wolfe Video, war in unserer Facebook-Community mehrheitlich bekannt (56,3 %).
Auf der Branchenplattform IMDb wurden fast alle Veröffentlichungen von Pro-Fun Media nachträglich auf das Label Cinemien umgeschrieben - ein sichtbares Zeichen für den angestrebten Strategiewechsel. Erst mit neueren Direct-to-Video-Titeln tauchte der Name PFM wieder auf, etwa 2024 beim Erotikthriller IN BED (2022) und in diesem Jahr beim italienischen Drama BLESSED BOYS (2021).
Doch die Ambitionen stießen auf die harte Realität des deutschen Kinomarkts. Eigene Auswertungen zu LGBT-Veröffentlichungen zeigen, dass Cinemien bei Kinobetreiber:innen nicht den erhofften Anklang fand. Viele der Filme, die mit vielversprechenden Kinostarts angekündigt waren, liefen am Ende nur in wenigen Sälen oder wurden gar nicht gebucht. Drei von sieben Produktionen erschienen 2025 ganz ohne eine Vorführung direkt als Stream oder auf DVD. Jüngstes Beispiel: THE BEARDED MERMAID (2024)*, offizieller Kinostart am 28. August - aber nirgends zu sehen.
Der letzte veritable Erfolg liegt einige Jahre zurück und war vermutlich ein teurer Einkauf: Xavier Dolans Liebesfilm MATTHIAS & MAXIME (2019) erreichte 2021 5.300 Zuschauer. Der Weltkino Filmverleih kam mit Dolans vorangegangener Veröffentlichung EINFACH DAS ENDE DER WELT (2016) bereits in der Startwoche auf ein ähnliches Ergebnis und schloss insgesamt mit über 25.000 Besucher:innen ab.
Die Reaktion des Unternehmens ist ein pragmatischer Kompromiss. Mangels Alternativen wird die klare Aufgabenteilung fortgeführt. Die Marke Cinemien bleibt für kuratierte Kinoveranstaltungen, festivaltaugliche und - ähnlich wie bei Konkurrent Salzgeber - mittlerweile auch heteronormative Filme bestehen. Für das Home-Entertainment-Geschäft wird die traditionsreiche Marke Pro-Fun Media wieder in den Vordergrund gerückt.
Diese Zwei-Marken-Strategie zeigt, dass der queere Filmmarkt in Deutschland ein komplexes Terrain ist. Der Versuch, mit einem neuen Label den Kinomarkt zu erobern, führte nicht zum erhofften Erfolg. Eine Trendwende ist nicht in Sicht. Am Donnerstag ist der Kinostart für FINE YOUNG MEN (2024) angekündigt. Bestätigt ist bislang nur eine Vorstellung am 20. Oktober um 21:30 Uhr im Babylon Berlin.
Nachtrag: Zwei weitere Kinos haben FINE YOUNG MEN ins Programm genommen. Im Xenon Berlin läuft er ab 9. Oktober täglich um 18:30 Uhr. Und am 13. Oktober wird er im Rahmen der Mongay-Reihe um 21:15 Uhr in den City Kinos München gezeigt.
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